Avantgarde am Flughafen München, die jetzt im Schwere Reiter in der Münchner Innenstadt uraufgeführt wird: Das hoch innovative Musiktheater "Schwerer als Luft" ist eine choreographische Oper über den Menschheitstraum vom Fliegen. Auf der Bühne stehen Flugzeugabfertiger, deren Arbeitsplatz das Vorfeld des Münchner Airports ist. Die Komponistin Nélida Béjar hat in ihrem Werk Texte klassischer Autoren, die um die Mythen des Fliegens kreisen, gekonnt vertont und in Szene gesetzt.
München - Das Spektrum reicht von Ovids „Daedalus und Ikarus“ über die Skizzenbücher des Leonardo da Vinci und Jean-Jacques Rousseaus „Nouveau Dédale“ bis hin zu James Joyces „Ulysses“. Sämtliche Texte werden in ihrer Originalsprache gesungen und als deutsche Übersetzung auf den Bildschirm projiziert - Latein, Englisch, Italienisch und Französisch. Auch Spanisch ist dabei, wenn Christoph Kolumbus aus seinem Bordbuch zitiert wird: "Und sie dachten, dass wir vom Himmel kamen" - er, dem die Lüfte hold waren und ihn mit windgeblähten Segeln über den Atlantik trugen.
Vor einem Jahr hatten die ersten Proben begonnen, jetzt kommt das zeitgenössische Stück im Theater Schwere Reiter in München zur Uraufführung (kostenlose Karten unter http://www.munich-airport.de/tickets). Die Weltpremiere fand gestern vor 200 geladenen Gästen direkt am Flughafen München statt - im Terminal 1, stilecht inszeniert mit dem Blick auf das Rollfeld und das Lichtermeer der Flugzeuge.
Alle Sänger und Darsteller sind Mitarbeiter der AeroGround, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Flughafen München GmbH (FMG), die für die Abfertigung der Flugzeuge zuständig ist. Den Darstellern ist es gelungen, die Dramatik des Traums vom Fliegen, der oft genug zerbrach und vor allem mit Ikarus seinen Eingang in die Mythenwelt gefunden hat, auf die spartanisch, aber effektvoll dekorierte Bühne zu bringen.
Einen Kritikpunkt gibt es jedoch in dem ansonsten brilliant konzipierten und arrangierten Stück: In der vielsprachigen Aufführung gibt es keinen deutschen Text. Die Welt des Fliegens und der Flughafen München sind quasi Synonyme der Internationalität, die nach Vielsprachigkeit verlangen, soweit d´accord, und die Texte sind gut gewählt. Aber wieso fehlt Otto Lilienthal in der illustren Schar der Autoren? Der deutsche Luftfahrtpionier war nicht nur der erste Mensch, der erfolgreich Gleitflüge mit einem Flugzeug durchführte, sondern der - man höre - dem Flugprinzip "Schwerer als Luft" damit zum Durchbruch verhalf. Wenn sogar der Titel des Stücks danach benannt ist, hätte er nicht fehlen dürfen.
Begleitet werden die zwölf Laiendarsteller von einem gemischten Ensemble aus zwölf professionellen Musikern. Für die Inszenierung zeichnet Björn Potulski verantwortlich, der hauptberuflich als Referent für Politische Angelegenheiten bei der FMG arbeitet und sich darüber hinaus in zahlreichen Theaterprojekten engagiert. Mit der Komponistin und Dirigentin Nélida Béjar, die mehrere Stipendien des Freistaates Bayern erhielt, gründete Potulski das undercoverfiction ensemble für Neue Musik. Die Schirmherrschaft für das innovative Musiktheaterprojekt hat der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude übernommen.
Autor: Gudrun Kosche